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Das Meerschweinchen
Kapitel

Herkunft und Domestikation
Leben von Hausmeerschweinchen im Ursprungsland
Zuchtformen
Herkunft und Domestikation

Meerschweinchen kommen aus Südamerika (De la Cruz & Daugschie 2003). Sie wurden vor etwa 3000 - 6000 Jahren in Gebiet der Anden domestiziert (Künzel & Sachser 2000).
Die Abstammung des Hausmeerschweinchens ist umstritten (Spotorno et al 2004). Lange Zeit galt das Gemeine Meerschweinchen (Cavia aperea) aufgrund anatomischer und morphologischer Studien zweifelsfrei als Stammform der Hausmeerschweinchen (Künzel & Sacher 2000). Zudem ergaben Kreuzungen zwischen Hausmeerschweinchen und Cavia aperea fertile (zeugungsfähig) Nachkommen. Allerdings wurde zwei weitere mögliche Stammformen benannt. Kreuzungen von Hausmeerschweinchen und Tschudi-Meerschweinchen (Cavia tschudii) ergaben ebenfalls zeugungsfähige Nachkommen. Bei Kreuzungen mit Cavia fulgida kamen allerdings sterile (zeugungsunfähig) männliche Hybriden heraus (Spotorno et al 2004).
Mit Hilfe molekulargenetischen Untersuchungen wurde die verwandschafltiche Beziehung der Hausmeerschweinchen zu den Wildformen untersucht. Diese zeigen dass wahrscheinlich das Tschudi-Meerschweinchen die Stammform des Hausmeerschweinchens ist (Spotorno et al. 2006; Dunnum &Salazar-Bravo 2010). Untersuchungen von Schädeln und Skelett heutiger und mummifizierter Tiere stützen diese Vermutung (Spotorno et al 2007).
Leben von Hausmeerschweinchen im Ursprungsland

Bis heute spielt das Meerschweinchen als Nutztier in Südamerika eine wichtige Rolle. Sie dienen als Fleischlieferanten und haben zudem eine feste Rolle in der traditionellen Heilkunde (Zumbach 1998).
Im ländlichen Bereich halten viele Familien bis zu 100 Meerschweinchen zur Deckung des Eigenbedarfs (Cruz & Daugschie 2003). Um Leistung und Ertrag zu steigern wird seit den 60er Jahren versucht, die bislang traditionelle und mündlich weitergegebene Zucht und Haltung des Meerschweinchens durch „moderne“ Haltungs- und Zuchtmaßnahmen zu ersetzen (Zumbach 1998).
De la Cruz & Daugschie (2003) unterscheiden 3 Haltungsformen:
- intensive Haltungsweise: mit bis zu 4000 Tieren pro Anlage, meist Betonbauten
- intensive Haltung mit regional-traditioneller Bauweise: bis zu 2500 Tiere pro Anlage, regional verflügbare Baumaterialien
- extensive Haltung: Eigenbedarf, bis zu 100 Tieren, oft in der Küche
Die meisten der auf dem Mark angebotenen Meerschweinchen sind normalgroß und kurzhaarig. Die häufigsten Farben sind rot und weiß (Bartels 2003), wobei nach Archetti et al. (1997) in Ecuador keine Farben bevorzugt werden, sondern die Vorlieben individuell sind. Langhaarmeerschweinchen werden eher als Dekoration oder als reine Haustiere verwendet, es werden normalerweise nicht mehr als ein oder zwei Tiere gehalten. Kurzhaartiere sind aufgrund des offenen Feuers besser als Nutztiere geeignet (Archetti et al. 1997).
Archetti (1992) beschreibt die komplexen Zusammenhänge zwischen der traditionellen Meerschweinchenhaltung und dem Gemeindeleben in acht verschiedenen ländlichen Gemeinden in Ecuador. Die Tiere sind dort ein fester Bestandteil des Haushaltes. Meistens leben sie freilaufend im Haus, vor allem in der Küche oder in angrenzenden Räumen. Oft wird ihnen ein Platz in der Nähe der Feuerstelle hergerichtet.
Haltung und Versorgung ist Aufgabe der Frauen. Außerhalb des Haushaltes spielen sie eine wichtige Rolle als Geschenke, Bezahlung und Opfergabe. Geschlachtet werden die Tiere nur zu besonderen Anlässen, insbesondere religiösen Feiertagen und Familienfesten (Archetti et al. 1997).
Die Zucht beginnt normalerweise mit den Tieren, welche die Frau zu ihrer Hochzeit von Eltern und Paten bekommt. Darunter befindet sich oft ein "Yayacuy", ein Böckchen mit mehr Fingern als üblich. Dazu kommen zwei bis zehn Weibchen. Später bekommt jeder männliche Nachfahre den Spitzname "Yayacuy". Die Menschen in Ecquador glauben, dass der "Yayacuy" besonders stark ist und diese Eigenschaft an seinen Nachwuchs weitergibt. Die Kriterien nach denen Tiere selektiert werden ändern sich, aber beinhalten Größe und Gewicht, wobei die schwersten und gesündesten die Besten sind und einen "leisen und guten" Charakter haben. Eine gezielte Verpaarung findet allerdings nicht statt. Aber es wird nur wenigen (normalerweise ein bis zwei) Männchen die Fortpflanzung erlaubt, entweder durch Kastration nach dem 3 Lebensjahr oder durch Verzehr von Männchen, die alt bzw. schwer genug sind sich fortzupflanzen. Sonst würde es zu kämpfen zwischen den Männchen kommen (Archetti et al. 1997).
Tabelle 1. Bezeichnungen der Meerschweinchen in Ecuador durch die Ureinwohner nach Archetti et al. (1997)
Bezeichnung |
Bedeutung |
Yayacuy |
Gründerbock und seine männlichen Nachkommen |
Güagüacuy |
Meerschweinchen unter 2 Monaten, beide Geschlechter |
Maltones |
-
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Geschlechtsreife Meerschweinchen die noch keinen Nachwuchs haben |
Cari |
Männliche Maltones |
Huarmi |
Weibliche Maltones |
Maduras |
Weibchen die bereits einen Wurf hatten |
Muru |
Meerschweinchen mit mehr als zwei Farben |
Pinto |
Zweifarbige Meerschweinchen |
Vashtu |
Langes, borstiges Fell |
Tipu |
Krauses Fell |
Llambu |
Normalhaar |
Tolo |
Kurzes Kraushaar |
Gefüttert werden die Meerschweinchen in traditioneller Haltungsform mit frischem und getrocknetem Grünfutter, Alfalfa und Küchenabfällen. Sie dienen dabei als effektive Abfalleimer und fressen den Abfall, der bei der Zubereitung von Mahlzeiten beiseite geworfen wird. Zum Beispiel Gerstenkleie, Bohnenschalen, Bananen, Kohlblättern, Mais, Zwiebeln, Kürbisse, Zucchini und "angefaultes" Korn (Archetti et al. 1997).
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Nach Archetti et al. (1997) fressen die Meerschweinchen alle Sorten von Schalen von Zwiebel, Karotten, Maisblätter und "verfaulten" Mais, der nicht mehr fürs kochen verwendet wird sowie alle Arten von Getreide und Speiseresten. Bei Kartoffelschalen gehen die Meinungen über eine Verfütterung auseinander, manche Gemeinschaften halten sie für gutes Futter, andere sind der Meinung dass es Durchfälle auslöst. Möglicherweise werden diese Probleme aber durch den vermehrten Einsatz von Pestiziden gefördert.
Ideal ist für die Tiere eine Kombination aus frischen Gräsern und Kräutern (Archetti et al. 1997).
Die Tiere bekommen in Ecuador normalerweise kein Wasser. Nicht nur, weil die Bewohner glauben dass die schlechte Qualität des Wassers den Tieren schaden könnte. Der Hauptgrund ist, dass man der Meinung ist, die Tiere könnten schlecht abschätzen wieviel Wasser sie brauchen weshalb es am Besten ist, den Tieren die nötige Flüssigkeit über die Futterpflanzen zukommen zu lassen. So fressen sie kein zu trockenes oder zu feuchtes Futter. Das Futter wird mit großer Sorgfalt zubereitet, die Pflanzen getrocknet oder angefeuchtet. Mindestens zweimal am Tag werden die Meerschweinchen so gefüttert (Archetti et al. 1997).
Die Fütterung wird, wie auch die eigene Ernähung, von einer symbolischen Welt beeinflusst. Pflanzen werden in "hotter" (heißer) und "colder" (kälter) unterteilt. Pflanzen mit der Bezeichnung "hot" werden besser im Sommer, solche mit der "cold" im Winter verfüttert. Wasser und Feuer können helfen das Futter zu verändern (Archetti et al. 1997).
Die "hottest" Pflanzen sind Rüben, Gerstenkleie, Stroh, Gras, Bananenschalen, Getreidespelz, Kohlblätter, Bohnen und Linsen. Stroh wird auch als Unterlage verwendet, damit die Tiere nicht nur auf dem kalten Erdreich sitzen müssen (Archetti et al. 1997).
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Zuchtformen

Bei Meerschweinchen wird zwischen Fell- und Farbrassen unterschieden. Fellrassen unterscheiden sich durch verschiedene Fellstrukturen und Haarlängen. Farbrassen werden anhand der Fellzeichnung unterschieden.
Der Meerschweinchen-ratgeber.de (19. Juni 2013) unterscheidet folgende Rassen:
- Kurzhaarrassen:
- Glatthaar
- Crested
- Kurzhaarperuaner
- Rosette
- Rex
- US-Teddy
- Schweizer (CH) - Teddy
- Ridgeback
- Somali
- Curly
- Langhaar
- Sheltie
- Coronet
- Peruaner
- Angora
- Texel
- Merino
- Mohair
- Alpaka
- Lunkarya
- Nacktmeerschweinchen
- Cuys / Riesenmeerschweinchen (nicht als Rasse beschrieben, aber erwähnt)
- Satinmeerschweinchen (nicht als Rasse beschrieben, aber erwähnt)
Nach Fehr (2007) gibt es das Peruaner-Meerschweinchen seit etwa 120 Jahren. Sheltie, Coronet, Merino, Alpaka und Texel seit 20 Jahren.
Literatur
Archetti, E. (1992): El mundo social y simbólico del cuy. Centro de Planificación y Estudios Sociales - CEPLAES, Quito, Ecuador; In: Zumbach B. (1998): Schätzung von Kreuzungsparametern unter besonderer Berücksichtigung von epistatischen Effekten und einer Optimierung des Kreuzungszuchtverfahrens beim Meerschweinchen in Bolivien, Diss.
Archetti, E. (1997): Guinea Pigs: Food, Symbol and Conflict of Knowledge in Ecuador, Berg Publ % Books Intl; Auflage: English Ed
Bartels A. (2003) - Meerschweinchenbezogene Reiseeindrücke aus Peru; www.meerschweinchenfreunde.at/cuyes_bartels.htm; Aufruf 2.06.2013
De la Cruz D. K., Ribbeck R., Daugschie A. (2003): Vorkommen und Verbreitung von Ektoparasiten bei Meerschweinchen (Cavia spp.) in Peru, Südamerika
Fehr M. (2007): Workshop VI - Belange des Tieres I auf dem Kongress Mensch - Tier
Künzel C., Sacher N. (2000): Auswirkung der Domestikation auf Verhalten und endokrine Anpassungsreaktionen beim Meerschweinchen
Spotorno A.E., Marín J.C., Manríquez G., Valladares J.P., Rico E. and Rivas C. (2006): Ancient and modern steps during domestication of guinea pigs (Cavia porcellus L.). Journal of Zoology
Spotorno A.E., Manríquez G., Fernández L., A., Marín J.C., González F. and Wheeler J. (2007:) Domestication of guinea pigs from a southern Peru-northern Chile wild species and their middle pre-Columbian mummies. pp. 367388 in: Kelt, D.A., Lessa, E.P., Salazar-Bravo, J. and Patton, J.L. (eds.). The Quintessential Naturalist: Honoring the Life and Legacy of Oliver P. Pearson. University of California Publications in Zoology 134:1981 ISBN 0-520-09859-5
Zumbach B. (1998): Schätzung von Kreuzungsparametern unter besonderer Berücksichtigung von epistatischen Effekten und einer Optimierung des Kreuzungszuchtverfahrens beim Meerschweinchen in Bolivien, Diss.
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